So wie die JungenBrandbergen. Foto: Gunilla Welin.
Es ist sicher richtig, dass junger Eifer es schwer hat, das Kraftvolle sein zu lassen, und schwer, so sanft wie ein Windhauch zu sein. Jünglinge wollen viel lieber ihre Glieder mit einer solchen Kraft prüfen, dass es in ihnen knackt, und ihren Partner auf die Matte schwingen, dass es staubt. Ich glaube nicht, dass der Pädagoge geboren ist, der junge Menschen dazu bringen kann, von solchem Spiel abzusehen. Aber man belügt sich und andere über Aikido, wenn man sagt, dass sie in diesem Zustand verbleiben müssen, bis sie zu schwach dafür werden. Wenn das stimmen würde, dann wäre das Aikido der Luft schwächer als das Aikido des Wassers und das Aikido der Leere wäre das schwächste von allen. Das ist nicht wahr. Auch diejenigen, die in ihrer frühen Kindheit mit dem Aikidotraining beginnen, können eine ganz andere Kraft ausmachen als die der Muskeln, und sie sehnen sich nach ihr. Das pflegt vor allem für die richtig Jungen zu stimmen, die nicht Neugierde von Stolz überstimmen lassen. Ihnen zu sagen, dass sie warten und in einer primitiveren Form von Aikido verbleiben sollen, nur weil sich noch kein hinreichend achtenswertes Alter erreicht haben, ist nichts anderes als eine Sünde. Wenn Menschen von einem niedrigeren zu einem höheren Zustand übergehen wollen sollten wir sie nicht aufhalten — wir sollten jubeln! Hinter dem, was man in der Bibel Sünde nennt, liegen im hebräischen Original drei verschiedene Begriffe. Sie haben alle mit der Fahrt auf ein Ziel zu tun, wie etwa der Weg eines Pfeils zur Schießscheibe. Eine Sünde ist, auf dem Weg zum Ziel die Geschwindigkeit abzubremsen, eine andere, unnötige Umwege zu nehmen, eine dritte, völlig davon abzuweichen. Sünde ist also, nicht so direkt und schnell auf das Ziel zuzustreben, wie man es vermag.
Järfälla. Foto: Magnus Hartmann.
Die Ansicht, dass jede Sache ihre Zeit hat, scheint oft von denen vertreten zu werden, welche selbst wünschen, in einem Stadium zu verbleiben, das sie eigentlich hinter sich lassen müssten, weil sie die nötige Reife erreicht haben. So wie jedes Alter im Leben der Menschen seinen Lohn und seinen Preis hat, so muss man in jeder Phase seiner Entwicklung etwas aufgeben, um etwas anderes aufnehmen zu können. Manchmal kann es schmerzen, dieses Etwas aufzugeben, man bleibt in seiner Unschlüssigkeit, aus dem einfachen Grund, weil man weiß was man hat, aber nicht, was man bekommt. Morihei Ueshiba ist ein deutliches Vorbild, aber er wird als solches unterschiedlich genutzt und gedeutet. Viele wollen aus ihm ein unnahbares Ideal machen, einen Heiligen auf einem hohen Sockel. In ihren Augen ist es fast aufrührerisch zu versuchen, sich ein ebenso hochstehendes, genauso blendendes Aikido anzueignen wie osensei (der große Lehrer) es beherrschte. Ich bin überhaupt nicht sicher, dass er sich selbst als solches Unikum betrachtete. Warum hätte er sich dann überhaupt darum bemüht, seine Kunst weiterzugeben? Moriheit Ueshiba trieb seine Schüler mit einer Fülle von Erklärungen und Anweisungen voran, auch wenn diese nicht immer begreiflich für jeden einzelnen waren. Wenn wir ihn als einen Entdecker betrachten, einen Neugestalter der Kampfkunst, da ist es plausibler, dass wir nach seinem Tod nicht den Rückzug antreten, sondern uns darum bemühen, dort weiterzumachen, wo er aufhörte. Wir sollten uns mit all unserer Kraft bemühen und uns beeilen, um zu dem Aikido zu kommen, das Ueshiba kurz vor seinem Tod beherrschte, um von da aus weiterzumachen. Ich glaube, dass das möglich ist. Jedenfalls weiß ich, dass es unmöglich ist, wenn wir es nicht versuchen. Morihei Ueshiba wurde im Lauf der Jahre oft gefilmt. Auf diesen Filmen sieht man seine Entwicklung ungeheuer deutlich. In den frühesten bekannten Dokumentationen seines Aikido, von 1935, ist die Kraft groß und die Techniken mindestens genauso plötzlich und hart wie die Angriffe. Wie viele sich auch über ihn werfen, sie werden mit noch größerer Kraft zurückgeworfen. Aber in den letzten Filmen, die in den 60er Jahren aufgenommen wurden, geht er größtenteils nur herum und gestikuliert weich, geradezu gentleman-like, in die Richtung seiner Angreifer, und das bringt sie schon zu Fall — im selben Augenblick, da sie sich zum Angriff anschicken.
Järfälla. Foto: Magnus Hartmann.
Natürlich ist es möglich, die Stadien des Aikido mit den Stadien des Menschenlebens zu vergleichen, ebenso wie mit den Aggregatszuständen feste Form, Flüssigkeit und Gas. Aber wir sollten nicht verlangen, dass Menschen diesen Intervallen sklavisch wie Gefängnisbewohner folgen. Menschen sind so unterschiedlich, so unvorhersehbar, dass wir besser damit rechnen sollten als es für unmöglich zu halten, dass ein Kind die Form der Leere zeigen kann, ebenso wie alte Menschen bis zu ihrem letzten Atemzug an einem Aikido des Steinstandbilds festhalten können. Eigentlich glaube ich, dass die Altersgruppe, der osensei in seinen letzten Tagen am meisten glich, die eines Jugendlichen war. Nicht im physischen Ausdruck, gewiss, aber im Geist. Man kann in Konturen ahnen, wie der Geist jeder Altersgruppe beschaffen ist. Kinder sind naturgemäß wunderbar voraussetzungslos, sie verschlingen die Behauptungen ihres Lehrers mit Haut und Haar, schonen sich selbst keine Spur, wenn sie sich auf dem Weg des Aikido versuchen. Bei den Erwachsenen ist das nicht genauso leicht. Erwachsene haben Prestige und vorhergefasste Meinungen, über die sie mit Sorge und Bestimmtheit wachen. Sie hören dem Lehrer reserviert zu, weil sie sich nicht zu Gedanken verführen lassen wollen, denen sie nicht von Anfang an huldigen, oder zu Entdeckungen, deren Wert sie nicht von Anfang an einschätzen können. Oft sind sie so voll von ihrem Selbstgefühl, dass sie nicht in der Lage sind, etwas zu lernen, und höchstens die eine oder andere Fertigkeit vervollkommen wollen. Damit sind sie zufrieden, so als wüssten sie schon alles, was das Leben geben kann. Sie können bis zum Alter zögern, bis sie sich öffnen, und in diesem Fall mit einem Gefühl, das dem der Jugend sehr nahe ist.
Åke Bengtsson, Stockholm. Foto: Magnus Hartmann.
Die Erklärung ist vermutlich: Faszination. Jugendliche lassen sich faszinieren — von charismatischen Idolen, von den Reproduktionsmechanismen der Biologie, oder von einer friedlichen japanischen Kampfkunst. Faszination ist ihre Batterie und die Rutschbahn, auf der sie vorwärts kommen. Das ist ein sehr guter Geist, um Aikido zu entdecken. Anstelle den jungen Schüler auf seiner Fahrt zu bremsen, sollte jeder Erwachsene sein Bestes tun um sich mitreißen zu lassen — oder aus der Bahn treten. Nur wer sich von Aikido hinreißen lässt, kann jemals zu einem Aikido gelangen, das hinreißend ist.
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Stefan Stenudd
About me
I'm a Swedish author of fiction and non-fiction books in both English and Swedish. I'm also an artist, a historian of ideas, and a 7 dan Aikikai Shihan aikido instructor. Click the header to read my full bio.